Groß war die Euphorie zu HVO auf der „Green Waves“ Veranstaltung zur klimaneutralen Schifffahrt auf dem Bodensee. Natürlich haben die Medien gleich den Durchbruch zu den sauberen Motorbooten gefeiert. Der Hype scheint von der Straße auf das Wasser übergesprungen zu sein. Da unsere Studie auf der Veranstaltung fast so oft zitiert wurde wie der Begriff HVO, könnte man davon ausgehen, dass sie auch gelesen wurde – dort steht auf Seite 29 das Wesentliche zum Thema HVO. Offensichtlich hatten Ministerien und Unternehmer diese Seite jedoch überlesen. Was wir vergessen hatten, war, den Unterschied zu Biodiesel zu erklären.
In der Zulassungsstatistik auf Seite 7 der Studie ist zu lesen, dass Dieselmotoren, die grundsätzlich für HVO geeignet sind, bei den Motorbooten in der Kategorie „Vergnügungsschiffe“ allerdings nur 10 Prozent der Motoren ausmachen. Der Großteil des Dieselverbrauches entfällt auf die Berufsschifffahrt (etwa 8 Millionen Liter). Warum nutzt diese eigentlich kein HVO? Nachdem die Berufsschifffahrt den fossilen Diesel steuerfrei bekommt, ist HVO viel zu teuer und würde die Fahrgastpreise in die Höhe treiben.
Ist HVO tatsächlich die perfekte Lösung? Ein paar grundsätzliche Gedanken:
Als ich zum ersten Mal von HVO als Kraftstoff hörte, fragte ich mich: Was wurde bislang mit dem gebrauchten Frittierfett gemacht, das seit Jahrzehnten eingesammelt wird? Es wurde in Raffinerien aufbereitet und für Biodiesel oder für technische Fette wiederverwendet. Damit war der Kreislauf geschlossen und die CO2-Bilanz für Frittierfett schon immer ganz gut: HVO ist eigentlich nur ein neues Etikett.
Aber HVO ist doch viel besser als Diesel oder auch Biodiesel, oder nicht?
Auf den ersten Blick ist das richtig. HVO verbrennt in den Motoren besser und geht im Gegensatz zu Biodiesel beim Lagern nicht kaputt. Bei den Schadstoffemissionen hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH; auch am Bodensee beheimatet) höhere Stickoxid-Emissionen und deutlich mehr ultrafeine (lungengängige) Rußpartikel gemessen (siehe FactSheet unten). Letzteres ist auch im Straßenverkehr (auch bei Benzin-Motoren) ein aktuell wenig beachtetes Thema, das sich nur durch sogenannte C1-Kraftstoffe wie Methanol lösen lässt.
Daraus folgt gleich die nächste Frage: Wie wird HVO eigentlich hergestellt?
Man behandelt die gebrauchten Frittierfette mit Wasserstoff*. Dabei entstehen biobasierte Kraftstoffe, die fossiles Kerosin oder Diesel ersetzen können, genannt HVO (Hydrogenated Vegetable Oil – mit Wasserstoff behandeltes Pflanzenöl). Heute wird für die HVO-Herstellung fossiler Wasserstoff verwendet, der aus Erdgas erzeugt wird. Damit ist die CO2-Bilanz von HVO nur 50 Prozent besser als die von fossilem Diesel (siehe Kurzstudie dazu). Erst mit grünem Wasserstoff erhält man die oft zitierten 90 Prozent Reduktion an CO2-Emissionen, allerdings nur, wenn man ignoriert, dass die Frittierfette in der Vergangenheit auch wiederverwendet wurden.
Wie viel HVO ist denn überhaupt verfügbar?
Die Mengen sind begrenzt und reichen für maximal 10 Prozent des heutigen Dieselverbrauchs oder etwa 20 Prozent des Kerosinverbrauchs.
Ist HVO in der Schifffahrt nun sinnvoll oder nicht?
Als Übergangslösung, bis bessere Kraftstoffe und Antriebe zur Verfügung stehen, ist HVO für die wenigen Sportboote mit Dieselmotor eine Option, allerdings unter folgenden essentiellen Randbedingungen:
Zum einen muss zu einhundert Prozent ausgeschlossen werden, dass frisches Palmöl zum Einsatz kommt (kein Import aus Übersee), und zum anderen muss die Herstellung von HVO ausschließlich mit grünem Wasserstoff erfolgen!
* ein weiteres Beispiel für die so wichtige Rolle von Wasserstoff für die Energiewende; bei Biodiesel gibt es diese Behandlung mit Wasserstoff nicht, daher die schlechteren Eigenschaften wie die begrenzte Beständigkeit im Vergleich zu HVO
Titelbild: Petra Boeger