Mieterstrom in der Bürokratiefalle

Theoretisch könnten Solardächer auf Mehrfamilienhäusern eine tragende Rolle in der Energiewende spielen. In der Praxis bleibt das Konzept des Mieterstroms in Deutschland jedoch die Ausnahme. Eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) im Rahmen des Ariadne-Projekts macht deutlich: Nicht die Technik, sondern die Bürokratie bremst.

Laut der Studie könnten auf deutschen Mehrfamilienhäusern bis zu 60,4 Gigawatt Photovoltaikleistung installiert werden. Damit ließen sich rechnerisch rund 20 Millionen Wohnungen mit lokal erzeugtem Solarstrom versorgen, ein erheblicher und einfach zu realisierender Beitrag zu Klimaschutz und Energieunabhängigkeit. Tatsächlich wird dieses Potenzial jedoch kaum genutzt. Laut Bundesnetzagentur sind derzeit lediglich rund 5.400 Mieterstromanlagen in Betrieb. Gemessen an den mehreren Millionen potenziell geeigneten Gebäuden ist dies ein verschwindend geringer Anteil.

Die Gründe dafür liegen nicht in der Technik, sondern in den Rahmenbedingungen: Die Umsetzung ist komplex, aufwendig und oft wirtschaftlich unattraktiv für Eigentümer, Vermieter und Projektentwickler.

Das Problem beginnt dort, wo aus einer guten Idee ein Formular wird. Wer ein Mieterstromprojekt umsetzen will, muss sich durch mehrstufige Genehmigungs- und Meldeverfahren, komplizierte Mess- und Abrechnungsvorschriften und teils widersprüchliche Zuständigkeiten arbeiten.

Oft ist es erforderlich, dass jede Wohnung über eine eigene Zähl- und Abrechnungseinheit verfügt. Hinzu kommen kurze Vertragslaufzeiten von meist zwei Jahren sowie unsichere Vergütungssysteme, die langfristige Investitionen erschweren.

Die IW-Studie kommt zu einem klaren Fazit: Nicht technische Grenzen, sondern die regulatorische Komplexität sind das Haupthindernis.

Einzelne Projekte zeigen, dass Mieterstrom funktionieren kann, sofern die Prozesse klar strukturiert sind. Standardisierte Messsysteme, digitale Abrechnungslösungen und lokale Energiegenossenschaften senken Aufwand und Kosten.

In solchen Modellen profitieren Mieterinnen und Mieter von günstigem Solarstrom, während Eigentümer ihre Gebäude zukunftsfähig aufstellen. Doch diese Praxis bleibt bislang die Ausnahme. Dass es neue, kreative Lösungen gibt, zeigen die Unternehmen Solation und Solaredge. Mit Hilfe einer virtuellen Batterie schafften sie es, beim Stuttgarter Gewerbehochhaus Frio3 den Eigenverbrauch des Solarstroms auf 83 Prozent zu steigern.

Viele Mieterinnen und Mieter können aber selbst aktiv werden: Mit einem kleinen PV-Modul am Balkon und einem Speicher lässt sich bereits ein erheblicher Teil des eigenen Strombedarfs decken – eine (kleine) Revolution von unten nach oben.

Quellen:

Analyse: Gebäude- und Mieterstrom in Deutschland – Potenziale, Wirtschaftlichkeit und regulatorische Handlungsansätze

IW-Studie: Bürokratie bremst in Deutschland Mieterstrom aus – Solarserver

 

Bild: Petra Boeger + KI

 

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