Unsere täglichen Nachrichten sind gespickt mit Wörtern wie Technologie-Offensive und Innovationskraft. Vor einigen Jahren wurde ein Institut für Sprung-Innovation gegründet, und ganz aktuell bekommt das Ministerium für Bildung und Forschung auch noch den Titel „Technologie“.
Mit den zunehmenden Turbulenzen auf dem Arbeitsmarkt wird es für viele Firmen ganz entscheidend sein, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen und eine durchdachte Strategie für die Zukunft zu entwickeln.
Dabei ist es ganz hilfreich, die Begriffe Innovation und Technologie richtig einschätzen zu können. Über 40 Jahre habe ich mit den beiden Begriffen, aber vor allem mit den dahinter stehenden Themen Erfahrungen sammeln können – leidvolle und positive, auf alle Fälle lehrreiche. Diese möchte ich ganz kurz mit Ihnen teilen:
Schauen wir doch mal nach, was Wikipedia zu Innovation sagt:
„Eine Invention (Erfindung) ist noch keine Innovation. Inventionen umfassen neue Ideen bis einschließlich Prototypenbau beziehungsweise konkreter Konzeptentwicklung in der vormarktlichen Phase. Von Innovation im ökonomischen Sinne kann erst gesprochen werden, wenn ihre Nützlichkeit erkannt und ein Produkt, Produktionsprozess oder ein Geschäftsmodell entsprechend neu eingeführt oder verändert wird“
Übersetzt heißt das: Wenn die Forschung (im eigenen Haus oder in einem der vielen Institute) eine neue Technologie entwickelt hat, dann hat das noch nichts mit einem Produkt, das man im Markt platzieren kann, zu tun. Die zahlreichen Aufgaben wie Produktion, Lebensdauer und Garantien, Zulassung in den jeweiligen Märkten, Herstellkosten und erzielbare Preise beim Kunden bedeuten sehr viel harte Arbeit und Kenntnisse, die von einem Unternehmer und nicht von Forschern erbracht werden müssen..
Passt die neue Technologie in die existierende Produktpalette einer Firma, dann ist die Umsetzung in ein marktfähiges Produkt mit einem überschaubarem Aufwand verbunden und die Erfolgschancen sind gut einschätzbar. Das nennt man inkrementelle oder evolutionäre Innovation. In den vergangenen Jahrzehnten war Deutschland bei diesen Innovationen sehr erfolgreich. Es entstanden immer perfektere Maschinen, Motoren, Autos oder welches Produkt es auch immer war. „German Engineering“ hatte einen exzellenten Weltruf erlangt.
Bei den radikalen Innovationen (auch Sprunginnovation oder disruptive Innovation genannt) ist die erfolgreiche Umsetzung sehr viel anspruchsvoller und folgt anderen Mechanismen – es gibt ja noch keinen Markt für das völlig neue Produkt. Bei dieser Art von Innovation waren die etablierten, westlichen Konzerne in den letzten Jahrzehnten meist erfolglos – ein Dilemma für die vielen Lieferanten, deren Geschäft von diesen Konzernen abhängig ist.
Der Klassiker für so eine radikale Innovation war der Weltkonzern Kodak, der nach 100 Jahren Erfolgsgeschichte der Einführung der Digital-Kamera zum Opfer fiel. Obwohl Kodak die Technologie der digitalen Fotografie als einer der ersten in seiner Forschung entwickelt hatte, waren asiatische Unternehmen bei der Produktentwicklung und Markteinführung sehr viel schneller und erfolgreicher.
Bei der Photovoltaik ist ähnliches passiert: Deutsche mittelständische Firmen waren als erstes auf dem Heimatmarkt präsent, bis dann asiatische Unternehmen mit einer hohen Dynamik in die Massenproduktion einstiegen und inzwischen den Weltmarkt beherrschen.
Was kann ein Unternehmen tun, wenn es mit solchen Herausforderungen konfrontiert ist?
Dafür gibt es kein allgemein gültiges Rezept. Wichtig ist es, die Zusammenhänge und Mechanismen der disruptiven Innovation zu verstehen und die eigene Situation sehr genau zu bewerten. So geht es eigentlich immer um einen größeren Kundennutzen (Beispiel Digitalfotografie oder Smart Phone) verbunden mit geringeren Kosten. Zunehmend wird die Gesetzgebung (Klimaschutz) zum Treiber für Innovationen, sowohl bei radikalen Innovationen aber zunehmend auch evolutionären Innovationen bei den neuen Energietechnologien. Aber auch hier: es muss für den Kunden attraktiv sein, auch finanziell.
Ganz wichtig ist auch, dass die Politik die Unterschiede zwischen Technologie und Innovation versteht. Mit Forschungsförderung alleine bringt man keine radikal neuen Produkte auf den Markt – es braucht Unternehmen für die Umsetzung und möglichst keine unsinnigen regulatorische Hürden für die Markteinführung der neuen Produkte,
Titelbild: Petra Boeger, KI generiert