Zum 43. mal fanden diese Woche die Langenhagener Wirtschaftsgespräche statt. Organisiert wurden sie von der Handwerkskammer Ulm und der IHK Bodensee-Oberschwaben. Über die Einladung zur Teilnahme habe ich mich sehr gefreut und möchte gerne meine Impressionen hier mit Ihnen teilen.
Thomas Kusterer, Stv. CEO und CFO der EnBW, war der renommierte Gastredner. Seine sehr informative Präsentation sorgte für viel Gesprächsstoff in der folgenden, engagierten Diskussionsrunde.
Eine aus meiner Sicht besonders starke Aussage war die zur Atomkraft: Auch die AKWs, die 2023 abgeschaltet wurden, werden inzwischen zerlegt. Eine Renaissance der Kernkraft ist damit undenkbar und ein Neubau würde mehr als 20 Jahre beanspruchen. Bei solchen harten Fakten ist es vollkommen unverantwortlich, was viele Politiker und Journalisten im krassen Gegensatz dazu verbreiteten.
Bei der Frage zu den dezentralen Energiesystemen wurde schnell klar, dass das nicht zum Geschäftsmodell der EnBW passt. Eigentlich schade, da der dezentrale Ansatz in der Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird: Regional Strom erzeugen, speichern und nutzen – das entlastet den Netzausbau massiv. Diese Thema wurde dann bei der Frage nach den zeitweise immer größeren Stromüberschüssen noch deutlicher:
Die installierte Kapazität an Sonnen- und Windstrom soll sich um mehr als den Faktor 4 erhöhen, um den künftigen Strombedarf von 1.100 TWh decken zu können. Das heißt beispielsweise, dass wir an sonnigen Tagen statt der heute 50 GW dann etwa 200 GW PV-Strom erzeugen werden. Der heutige Strombedarf liegt etwa bei 60 GW und ich nehme nicht an, dass künftig alle E-Fahrzeuge zur Mittagszeit laden werden. Die Strategie der EnBW ist: Weniger Photovoltaik, weniger Batterien und weniger Elektroylseure zu installieren, wie in der aktuellen Studie zum Thema nachzulesen ist. Das wurde im Vortrag von Herrn Kusterer nicht so deutlich sichtbar. Sein Ziel ist, die extremen Kosten für den Strom-Netzausbau zu reduzieren. Statt Speichertechnologien soll blauer Wasserstoff, der aus Erdgas hergestellt wird, helfen, die mit Hilfe von Gasturbinen die vielen Stromlücken zu schließen. Ob der Einsatz von noch mehr Erdgas/LNG aus USA, Russland oder von der arabischen Halbinsel bei den zunehmenden geopolitischen Spannungen eine gute Idee ist?
Mein größtes Interesse am Vortrag lag darin, die grundlegenden Annahmen für den so extrem teuren Ausbau des Stromnetzes zu verstehen. Diese Grafik, aus dem Vortrag heraus kopiert, zeigt das Dilemma der aktuellen Planungen für die Stromnetze auf:
Es handelt sich um die derzeitige „all-electric-Strategie“ der Politik. Ist die Annahme, dass alle Fahrzeuge (bis 2040 70 Prozent) Batterie-elektrisch fahren werden, realistisch? Um das zu verstehen, hilft ein Blick auf den heutigen Anteil der E-Fahrzeuge am Bestand aller Fahrzeuge, denn diese Zahl ist für die Energiewende relevant. Bei den PKWs fahren heute etwa 3 Prozent der 50 Millionen mit Strom aus der Batterie, bei den 980.000 schweren LKW sind es weniger als 1 Prozent. Dazu kommen noch die vielen Fahrzeuge aus den vielen europäischen Ländern, die auf unseren Straßen unterwegs sind. Ist es realistisch, dass in den kommenden 20 Jahren auch die fehlenden 97 bzw. 99 Prozent der Fahrzeuge Batterie-elektrisch fahren werden und damit den massiven Ausbau des Stromnetzes erforderlich machen? Gerne vergleiche ich das mit einem Marathonlauf, bei dem wir nach 500 Metern genau wissen, wer gewinnen wird und wir all unser Vermögen auf den einen Favoriten setzen, obwohl auf der langen Strecke bis ins Ziel noch sehr viel passieren kann. Ein Blick nach Asien zeigt, dass dort weltweit führende Konzerne eine Vielfalt an klimafreundlichen Antriebstechnologien verfolgen: Wasserstoff für alle Fahrzeuge mit hohen Energieverbräuchen oder die Range-Extender-Technologie, die mit einer kleinen Batterie und geringem Energieverbrauch sehr schnell eine Reduktion der CO2-Emissionen ermöglicht. Mittelfristig ist das Tanken von klimaneutralen eFuels problemlos möglich. Bei den Batterie-elektrischen Fahrzeugen können Ladesäulen mit Pufferspeichern den Netzausbau ebenfalls deutlich reduzieren.
Mit solchen Ansätzen könnten wir unsere heutige, zuverlässig funktionierende Infrastruktur für Strom, Gas und Kraftstoffe mit wenig Aufwand anpassen. So kostet die Umstellung des Gasnetzes auf Wasserstoff nur einen Bruchteil dessen, was der Ausbau des Stromnetzes kostet. Wasserstoff kann künftig kostengünstig aus dem vielen überschüssigen Strom in den wind- und sonnenreichen Regionen Europas und Nordafrikas erzeugt werden. Analoges gilt für eFuel, das laut Saudi Aramco für 80 Cent pro Liter hergestellt werden kann.
Mein Fazit: Die deutsche Strategie zur Energiewende muss dringend überarbeitet werden, bevor wir feststellen:
„Sorry, da sind wir wohl falsch abgebogen, in einer Sackgasse gelandet und das Geld ist weg“.
Hier der Vortrag zum Nachlesen:
2025-04-03_Langenargener Wirtschaftsgespräche_Clean. pdf
2 Antworten
Perfekt kommentiert und zusammengefasst. Die Politiker sind von vielen Lobbyisten umzingelt und wahrscheinlich taub, auf allen Ohren. Das schlimme ist noch, dass sie von Fachleuten in Ihrer fehlerhaften Meinung noch unterstützt werden. „Wo kein Wille ist, da gibt es auch keinen neuen Weg“, ….das sind die Kommandos denen die Bürger auch noch blind hinterherlaufen. Vielleicht mal in den Kosten gegenrechnen, denn wenn 1GW nicht genutzt werden, dann sind das bei 0,30 €/kWh schlappe 300T€ pro Stunde. Wenn der Elektrolyseur funktioniert, könnten mit 1 GWh ca. 30.000kg Wasserstoff erzeugt werden. Das Problem sind die vielen Nullen in der Analyse :-))
ganz aktuell wurden die Zahlen für 2024 veröffentlicht: 8.300 GWh Strom wurden in 2024 abgeregelt (vernichtet), da es keine Speicher gab und sonst auch niemnand den Strom wollte.
Das hat uns, den Stromkunden, 2,8 Milliarden € gekostet.