In der Schweiz schmelzen Gletscher. In Kanada brennen Wälder. Trockenheit verschärft den Hunger in Afrika. Ozeane erwärmen sich schneller, als sie die Wärme aufnehmen können. Menschen verlieren ihre Heimat – durch Wasser, durch Feuer, durch Hitze.
Und in Deutschland?
Flüsse trocknen aus, Wälder sterben, Straßen brechen auf. Der Wald im Harz gleicht einem verlassenen Friedhof. In der Eifel wurde Starkregen zur Katastrophe.
Heute führen ein fiktives Interview mit dem, der für all das verantwortlich gemacht wird – Der Klimawandel.
Klimawandel, danke, dass Sie sich die Zeit für ein Interview nehmen. Sie sind ja recht beschäftigt momentan?
Klimawandel: Beschäftigt ist charmant formuliert. Ich bin omnipräsent. Ich bin das schlechte Gewissen im Hochsommer, der Elefant im Raum bei jedem Infrastrukturprojekt, und der stille Dritte in jedem Gespräch über „unseren Garten, der früher so viel schöner war“.
Aber gut – ich bin da. Danke für die Einladung.
Viele sehen Sie als Bedrohung. Als Feind. Was sagen Sie dazu?
Klimawandel: Ich bin nur das Phänomen, lediglich das Abbild der Ereignisse. Die Bedrohung seid ihr Menschen selbst, die ständig riesige Mengen an Benzin, Diesel, Kerosin, Erdgas oder Kohle zu CO₂ verbrennen, und das meist für Luxus und Bequemlichkeit. Aber darüber redet ihr selten, könnte ja schlecht fürs Geschäft sein.
Es heißt oft: Aber den Klimawandel gab’s schon immer?
Klimawandel: Nein, das stimmt nicht. Temperaturschwankungen durch natürliche Ereignisse wie Vulkanausbrüche hat es schon immer gegeben. Doch, was in den letzten Jahrzehnten passiert, ist ein CO₂-Turbo, der zu einer Erwärmung unseres Globus geführt hat, und zwar mit einer unglaublichen Geschwindigkeit. Das Ökosystem kann nicht mehr mithalten und gerät zunehmend aus dem Gleichgewicht.
Wir haben in Deutschland ja „nur“ 2% Anteil an den globalen Emissionen. Viele sagen: Wenn wir was ändern, ist das wie ein Fliegenschiss auf dem Globus. Wie sehen Sie das?
Klimawandel: Ja, ihr habt 2% Anteil an den globalen Emissionen, doch Deutschland hat nur 1% der Erdbevölkerung. Als Industrieland, als Erfinderin des Verbrenners, als Vorbild für viele, könntet ihr in die klimafreundlichen Technologien investieren, statt an denen aus dem letzten Jahrhundert festzuhalten. Ihr seid nicht unbedeutend. Ihr habt die Mittel, das Wissen, die Strukturen. Aber euch und euren Politikern fehlt der Mut, nach vorne zu schauen.
Was sagen Sie zu den Entwicklungen hierzulande? Trockenheit, Starkregen, Waldsterben?
Klimawandel: Ich bin weder Meteorologe noch Förster, aber Deutschland war Mal ein verlässliches Stück gemäßigte Zone. Jetzt habt ihr Hitzeinseln in Berlin, kleiner werdende Bäche in Bayern und Hagelstürme, die sich wie Rockstars benehmen. Und ihr wundert euch, dass der Wald nicht mehr mitmacht? Er hat sich über Jahrtausende zu dem entwickelt, wovon eure Dichter und Künstler immer geschwärmt haben. Mit eurem heutigen Lebensstil gibt er langsam auf.
Was empfinden Sie – angesichts unserer Untätigkeit?
Klimawandel: Ihr diskutiert im Kreis – während die Welt längst aus der Kurve fliegt. Ihr könntet so viel mehr tun. Und fragt mich? Ihr solltet euch selbst fragen , wie weit ihr noch gehen wollt.
Aber wir investieren doch längst in grünen Strom. Wind, Sonne, Wärmepumpen, E-Autos…. Das muss doch etwas bewirken?
Klimawandel: Das tut es. Aber wenn euer Stromhunger schneller wächst, als euer grünes Angebot, für mehr Autos, mehr Elektrogeräte, mehr Kühlung – dann ist das, wie ein kleines Pflaster auf einer großen Wunde.
Können wir Sie aufhalten?
Klimawandel: Die Frage sollte nicht lauten, ob ihr mich aufhalten könnt, sondern wie viel ihr bewahren könnt, bevor meine Auswirkungen unumkehrbar werden. Jede Entscheidung zählt.
Wie war das noch mit dem Fliegenschiss? Jeder, der heute meint, er sei zu klein, um etwas zu bewirken, vergisst, wie viele „Kleine“ diesen Wandel herbeigeführt haben.
Ein letzter Satz – zum Mitnehmen?
Klimawandel: Ihr fragt euch schon so lange, was ihr gegen mich tun könnt. Vielleicht fangt ihr endlich an, euch zu fragen, was ihr für euch selbst tun könnt.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Bild: Werner Tillmetz + Petra Boeger
Eine Antwort
Nicht nur wir hier erzeugen mit unserem klimaneutralen Dreigenerationenhaus mehr Energie als wir benötigen, sondern viele andere tun es inzwischen auch. Aber interessanter Weise bleiben die guten Beispiele in der öffentlichen Diskussion nahezu unbeachtet.